Die Entstehung der aktuellen Schuke-Orgel – eine Geschichte, mit Schmunzeln zu lesen
Eine Kirche ist ein „BauDenkMal“ das wie in unserem Fall viele Jahrhunderte an einem Platz steht, erbaut, umgebaut, zerstört, wieder aufgebaut, neu verputzt oder aber dem Zeitgeschmack angepasst wird. Christen prägen ihr Gotteshaus und es wird dadurch zum Zeitzeugen vieler Epochen und ist ein nach außen gewendetes Spiegelbild der geistlichen, ökonomischen oder politischen Zustände einer Gemeinde.
Das trifft im Besonderen auch auf das Hauptinstrument einer Kirche, die Orgel zu. Ein Orgelbau war und ist zu jeder Zeit eine finanzielle Herausforderung für eine Gemeinde, eine Anschaffung, bei der die Nutzen-Kosten-Rechnung aufgestellt wird und man sicher penibel über jedes Register mehr oder weniger entscheiden muss.
Ein schönes Beispiel ist hierfür die Anschaffung der Kleinorgel der Firma Alexander Schuke aus Potsdam. Ein Orgelneubau war nötig, die Alte Pfarrkirche und mit ihr die Orgel mit sieben Registern aus dem Jahr 1846 von Carl August Buchholz (1796–1884), einem Berliner Orgelbauer, war völlig zerstört. Nachdem die Kirche in den 1950er Jahren wieder aufgebaut worden war und man ihr im Inneren eine Einrichtung im Stile der Zeit gegeben hatte, brauchte die Gemeinde ein Instrument zur Begleitung des Gesanges im Gottesdienst.
Und hier beginnt eine Geschichte, die sich heute mit Schmunzeln im Aktenordner „Orgel in der Pfarrkirche“ nachlesen lässt. Zunächst wurde die Firma Schuke schon 1954 um ein Angebot ersucht. Der Vorschlag kam schnell: 9 Register für 14.380 DM ohne Orgelmotor, den gab es in der noch jungen DDR nicht, später allerdings auch nicht. Danach kehrte für fünf Jahre Ruhe ein, man benötigte Zeit, um Geld zu sparen.
Anfang des Jahres 1959 erging dann eine erneute Anfrage an Schuke und zeitgleich an die Orgelbaufirma Sauer in Frankfurt/Oder. Sauer reagierte mit drei verschiedenen und preislich gestaffelten Dispositionen von 17.000 bis 26.000 DM schon am 2. März, Schuke am 3. April mit einem Vorschlag für eine Orgel mit 10 Registern und einem Preis von 16.790 DM ohne Orgelgehäuse. Die Organisten Knappe und Winkelman erwärmen sich für den Sauerschen Vorschlag B für 26.000 DM. Der Kreiskirchenmusikwart Theophil Rothenberg befürwortet zunächst die Schuke-Orgel im Mai des Jahres, dann aber doch den Bau einer Sauer-Orgel im Juli.
Mit dem alles entscheidenden Satz „Der Schukesche Anschlag empfiehlt sich zunächst dadurch, dass er mit 16.790 DM billiger ist als der Sauersche Kostenanschlag mit 26.000 DM.“ empfiehlt das Konsistorium den Bau der „billigen“ Orgel am 10. September 1959; am 19. Oktober 1959 beschließt der Gemeindekirchenrat den Bau einer Orgel und erteilt der Firma Schuke den Zuschlag. Folgender Finanzierungsplan wird erstellt: Es gibt 5.000 DM Eigenmittel, der Synodalverband und das Konsistorium werden um jeweils 4.000 und 5.000 DM gebeten, dann greift man noch auf ein internes Sparbuch zurück mit 1.832 DM, möchte 2.200 DM dem Haushalt entnehmen und schließlich 1.000 DM durch Spenden sammeln.
Die Firma Schuke mahnt an, sofort mit der Beschaffung der nicht in der DDR erhältlichen Materialien, Balgleder und Orgelzungenteile für das Register „Schalmei“ und dem Orgelmotor, zu beginnen. Es muss auf westdeutscher Seite ein Spender gefunden werden, der die bei einem westdeutschen Lieferanten in Auftrag gegeben Teile bezahlt. Ende April 1962 kann der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats der Firma Schuke mitteilen, dass die Patengemeinde in Witten-Bommern (Nordrhein-Westfalen) Balgleder, Orgelzungen und Orgelmotor spenden wird. Zeitgleich muss mit Auftragsbestätigung und Preisangabe beim Rat des Stadtbezirks – Abteilung Innere Angelegenheiten – die Einfuhr der betreffenden Teile beantragt werden. Ende Juli mahnt Schuke erneut, einen Antrag auf Einfuhr zu stellen, um ein Weiterleiten an die höhere Dienststelle zu bitten und die Einfuhrgenehmigung vom Staatssekretär für Kirchenfragen bei der DDR abzuwarten. Den Antrag findet man im Ordner, allerdings ohne Datum. Jedenfalls kann der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates Schuke am 1. Oktober 1962 mitteilen, dass „1 Stück Orgelwinderzeuger ‚Ventus‛ und Ventil- und Balgleder eingetroffen sind ... Wir hoffen nunmehr, daß mit der Aufstellung der Orgel in der Pfarrkirche begonnen werden kann“, heißt es weiter in dem Schreiben an die Firma. Leider bleibt es zunächst bei der Hoffnung. Ende März 1963 bittet Schuke um eine Vorschusszahlung, da man im Laufe des Jahres mit der Arbeit an der Orgel beginnen möchte.
Dann im Frühjahr 1964 wird die neue Orgel aufgestellt und am 16. Juni vom Orgelbausachverständigen Erich Piasetzki im Beisein von Vertretern des Gemeindekirchenrats und der Orgelbaufirma abgenommen. Darüber gibt es ein positives Schreiben des Konsistoriums. Allerdings muss Piasetzki auf klangliche Mängel hingewiesen haben. Die Orgel steht an der Rückwand der Orgelempore und kommt klanglich nicht „rüber“. Einen Restbetrag der Rechnung bezahlt die Gemeinde nicht und erwartet Nachbesserung. Es wird nachintoniert, wahrscheinlich schärfer im Klang, und die Orgel nach vorn gezogen. Dort klingt sie besser in den Raum hinein, aber nimmt einen Platz ein, der gemeinschaftliches Musizieren mit dem Chor oder mehrerer Musiker sehr schwierig werden lässt. Am 14. Juli 1965 kommt es erneut zu einer Besichtigung durch Piasetzki. Die Orgel wird jetzt als verbessert im Klang abgenommen und die Rechnung beglichen. Eine Orgelweihe hatte es schon am 4. Oktober des Vorjahrs gegeben. Die Orgel war um rund 3.200 DM teurer geworden als veranschlagt.